8. Oktober 2015

Die GRÜNE JUGEND Hannover (GJH) lehnt die diskutierten Verschärfungen des Asylrechts entschieden ab



„Wir sind entsetzt, dass dieser Vorschlag von einem Teil der grün mitregierten Ländern mitgetragen wird. Das Gesetzespaket beinhaltet entgegen der Darstellung von Innenminister De Maizière keine wirklichen Vorschläge zur Bewältigung der Situation sondern eine Menge Populismus. Zum zweiten Mal innerhalb von einem Jahr wird eine solche Gesetzesverschärfung mit grüner Unterstützung beschlossen – das ist völlig inakzeptabel. Statt des Gefasels über Fehlanreize werden Entscheidungen zur Verbesserung der Situation von Asylbewerber_innen in Deutschland und die Anerkennung von Fluchtgründen benötigt. Für diese Fluchtgründe ist in vielen Fällen die deutsche Politik mitverantwortlich“, so ein Mitglied der GJH.

Ein weiteres Mitglied ergänzt: „Statt ihren Aufgaben gerecht zu werden, hat die Politik in den letzten Wochen viele Aufgaben an ehrenamtliche Helfer_innen delegiert. Darüber hinaus sind viele Mitarbeiter_innen, vor allem in den Kommunen, völlig überarbeitet. Hier werden die Entscheidungsträger_innen ihrer Verantwortung nicht gerecht. Der neue Gesetzesentwurf packt genau diese Probleme nicht an: Die Lage kann sich durch diese Maßnahmen nicht entspannen!“

Die GRÜNE JUGEND Hannover schließt sich der Kritik an der Zustimmung von Grünen zum Gesetzespaket durch Bundes- und Landesverbände der GRÜNE JUGEND, die Plattform GRÜN links denken und den Bundestagsabgeordneten Jürgen Trittin an und fordert alle Grünen auf, dieses Gesetz nicht Realität werden zu lassen.

Unsere Kritikpunkte im Detail:

  • Längere Unterbringung in der Erstaufnahme: Eine längere Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen hat keinen Nutzen. Anstatt den Kontakt zu und die Teilnahme an der deutschen Gesellschaft zu erleichtern, sollen Geflüchtete stärker isoliert und abgeschottet werden. Der lange Aufenthalt in solchen Massenunterkünften, häufig auf engem Raum mit tausenden anderen Menschen und ohne Beschäftigungsmöglichkeit, ist das Gegenteil von Willkommenskultur und kann völlig verständlicherweise Konflikte entstehen lassen. Darüber hinaus kann durch diese Maßnahme nicht einmal Geld gespart werden.
  • Die Wiedereinführung von Sachleistungen: Diese Maßnahme geht vom Irrglauben aus, dass Menschen nach Deutschland kämen, weil es ihnen hier so gut ginge und man es ihnen deshalb nur so unbequem wie möglich machen müsste, um sie fernzuhalten. Dies ist bei der überwältigenden Mehrheit der Geflüchteten nicht der Fall. Menschen, die Schutz suchen vor Tod, Vertreibung, Diskriminierung oder Hunger, „abschrecken“ zu wollen ist das unmenschliche Gesicht einer gescheiterten europäischen Asylpolitik. Die Einführung von Sachleistungen dient derStigmatisierung von Geflüchteten und ist reine Schikane. Auch Geld sparen oder Abläufe vereinfachen lässt sich hiermit nicht.
  • Verlängerung des Arbeitsverbotes: Schutzsuchende aus so genannten sicheren Herkunftsländern haben für die Dauer ihrer Verfahren ein Arbeitsverbot, was ebenso für alle während des Aufenthalts in der Erstaufnahme gilt. Anstatt Arbeit als Inklusionsfaktor zu nutzen, Konflikten in den Einrichtungen durch sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten vorzubeugen und den Geflüchteten eine positive Perspektive in der Gesellschaft zu ermöglichen, soll hier ein weiteres Mal der Zugang für Schutzsuchende erschwert werden. Warum? Weil wir’s können. Auch in diesem Punkt ist ein Großteil der Gesellschaft schon viel weiter als die Politik, und auch hier werden ehren- und hauptamtlichen Helfer_innen durch die Bürokratie unnötige Steine in den Weg gelegt.
  • Mangelhafte Gesundheitsversorgung: Beim letzten Asylkompromiss wurde, als Gegenleistung zur Ausweitung der sicheren Herkunftsländer, die Einführung einer bundesweiten Gesundheitskarte in Aussicht gestellt. Diese wird auch weiterhin nicht kommen, stattdessen müssen die Länder für die Kosten aufkommen. Auch weiterhin sind Asylbewerber_innen Patient_innen zweiter Klasse und müssen vom Sozialamt beurteilen lassen, ob ihre Erkrankungen behandlungswürdig sind oder nicht – obwohl hier die dafür notwendigen Kompetenzen überhaupt nicht vorhanden sind.
  • Die Verlängerung von Haftstrafen gegen Fluchthelfer_innen: Faktisch existieren so gut wie keine legalen Fluchtwege in die Bundesrepublik. Das bedeutet, dass so gut wie niemand ohne Fluchthelfer_innen hier Asyl beantragen kann. Eine Mauer ums Land zu ziehen und dann zu behaupten, wer schutzbedürftig sei, könne doch Asyl beantragen, ist zynische Heuchelei. Anstatt legale Fluchtwege zu schaffen, die dem kriminellen Schlepperwesen die Geschäftsgrundlage entziehen würden, wird auch hier auf unmenschliche Hau-drauf-Politik gesetzt.
  • Ausweitung der so genannten sicheren Herkunftsländer: Wie bereits beim letzten Asylkompromiss sollen auch dieses Mal reflexartig die sicheren Herkunftsländer ausgeweitet werden, nach dem Motto: Es kann ja gar nicht sein, dass Menschen in so vielen Ländern um ihr Leben fürchten müssen. Hier werden verschiedene Geflüchtetengruppen gegeneinander ausgespielt. Unter dieser Regelung leiden vor allem Roma, deren Asylanträge in Deutschland als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden. Das führt dazu, dass aus Ländern des ehemaligen Jugoslawien in Deutschland nur 0,2% der Asylanträge anerkannt werden, während in anderen europäischen Ländern, in denen die Verfahren gerechter laufen, über 30% dieser Anträge anerkannt werden. Statt Einzelfälle zu prüfen, werden hier grundlegende Rechte eines ganzen Personenkreises gestrichen.

Appel der GRÜNEN JUGEND: https://gruene-jugend.de/node/27290#gothere
Artikel bei GRÜN links denken: http://www.gruen-links-denken.de/2015/politisch-verfolgte-geniessen-asylrecht-grundgesetz-artikel-16a/#more-2143
Kommentar von Jürgen Trittin (MdB): http://www.trittin.de/2015/10/02/fluechtlingspolitik-ein-schritt-zurueck/



← zurück